So könnte der erste Teil des achten Bandes aussehen, der
hoffentlich im Juli oder August 2016 erscheint. Versprechen kann ich allerdings
noch nichts; im schlimmsten Fall kann es auch Herbst werden. Zum Trost für die
lange Wartezeit habe ich mir etwas überlegt: Und zwar könnte ich euch immer mal
wieder ein paar Seiten des neuen Bandes zum Lesen anbieten, sodass ihr euch im
Juli oder August schon in die ersten drei Kapitel eingelesen habt. Habt ihr
darauf Lust? Falls ja, findet ihr die ersten sechs Seiten des Bandes 8.1 an dieser Stelle als Amuylett-Notration. Dabei handelt es sich allerdings noch um eine
Arbeitsfassung – das heißt, der Text wird sich bis zur Veröffentlichung vermutlich
noch ein bisschen ändern.
Kapitel 1: Gegen die Zeit
„Zwei Wochen“,
sagte Hanns. „Mehr nicht.“
„Zwei Wochen wofür?“, fragte Lisandra, die diese knappe Antwort auf ihre
sehr eindringlich gestellte Frage gar nicht befriedigte. „Für die Erforschung
der Antimagikalie? Für die Planung der Expedition ins Verfluchte Tal? Für die
Expedition selbst?“
„Für all das“, erwiderte Hanns seelenruhig, „und außerdem für die
Eindämmung der magikalischen Lecks, nachdem wir die Expedition erfolgreich
abgeschlossen haben.“
„Unmöglich!“, rief Lisandra. „Das schaffst du niemals.“
„Du wolltest wissen, wie viel Zeit noch bleibt“, sagte er. „Ob es möglich
oder unmöglich ist, musst du schon mir überlassen.“
Lisandra blickte in dem trostlosen Keller umher, der mittlerweile ihr
zweites Zuhause geworden war. Ursprünglich hatte diese unterirdische Anlage
einem ausgewählten Teil der Bevölkerung als letzte Zuflucht in einer
untergehenden Welt dienen sollen. Entsprechend zweckmäßig und nüchtern war der
Keller angelegt, gigantisch in seinen Ausmaßen, seelenlos in seiner Ausführung.
Doch Lisandra hatte den Keller lieben gelernt, war er doch der einzige Ort, an
dem sie und Haul relativ ungestört Zeit miteinander verbringen konnten. Wann
immer es hier unten Aufgaben zu erledigen galt, meldeten sie sich beide
freiwillig.
„Eigentlich hatte meine Frage auf etwas ganz anderes abgezielt!“, sagte
sie nun. „Und das weißt du auch!“
„Ach ja?“
Als Lisandra gefragt hatte, wie viel Zeit ihnen noch blieb, da hatte sie
vor allem an Haul gedacht. Daran, dass er sterben würde, wenn diese Welt starb,
weil er und die anderen Super-Gespenster in der neuen Welt nicht überleben
konnten. Die magikalischen Lecks nahmen täglich beängstigendere Ausmaße an und
wenn es Hanns nicht gelingen würde, die Lecks einzudämmen und damit die
Zerstörung von Amuylett zu stoppen, würde Lisandra sehr bald sehr einsam sein.
„Von den paar Tagen, die mir und Haul noch bleiben, wirst du uns den
größten Teil rauben, richtig?“, fragte Lisandra. „Du wirst ihn mitnehmen wollen
zu deiner selbstmörderischen Expedition und von mir verlangen, dass ich
hierbleibe! Ist doch so, oder?“
„Eher umgekehrt“, sagte Hanns. „Wenn man bei einer selbstmörderischen
Expedition etwas wirklich gut gebrauchen kann, dann ist es ein Mädchen, das nicht
sterben kann!“
Lisandra runzelte die Stirn.
„Ich soll mitkommen und Haul
soll hierbleiben?“
„Haul muss für mich die Stellung halten. Außerdem ist es für ein Super-Gespenst
in der Nähe einer Antimagikalie-Quelle viel zu gefährlich. Rémi protestiert zwar
noch, aber ich habe vor, sie alle hier zu lassen.“
„Alle Super-Gespenster?“
„Ja“, sagte Hanns, „je weniger wir sind, desto besser. Es wird im Verfluchten
Tal nicht darum gehen zu kämpfen, darum brauche ich keine Leibgarde.“
„So hat er das also gemeint“, sagte Lisandra nachdenklich. „Er hat mir
erklärt, dass der Tag, an dem du aufbrichst, der Tag sein könnte, an dem wir
uns für immer trennen müssen. Wann wird dieser Tag sein?“
„Am liebsten heute. Aber Berry und Rémi wollen noch ein paar
Antimagikalie-Experimente durchführen, also streiten wir uns jeden Morgen um
die Länge der letzten Frist.“
„Habt ihr euch heute Morgen auch schon gestritten?“
„Ja, haben wir“, sagte Hanns mit einem Lächeln, dass Lisandra erahnen
ließ, dass es der letzte Streit in dieser Frage gewesen war.
„Also wann?“, fragte sie.
„In drei Tagen“, antwortete er. „Tut mir wirklich leid, Lissi.“
Das meinte er ernst. Im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten, die
Hanns nur schwer durchschauten, war es Lisandra noch nie schwergefallen, die
Wahrheiten zu erkennen, die sich in diesen grauen Augen abspielten. Heute
erkannte sie darin Bedauern, gepaart mit einer furchteinflößenden Entschlossenheit.
„Und es geht bestimmt nicht anders?“, fragte sie. „Du hältst mich bei
dieser Expedition für absolut unentbehrlich?“
„Ist doch schön, wenn man gebraucht wird“, antwortete er. „Hast du dich
nicht immer darüber beklagt, wie nutzlos fünfte Erdenkinder sind? Freu dich, die
Zeiten sind vorbei, dein Talent ist unschlagbar wertvoll für mich!“
„Danke, ich habe etwas gelernt, ich möchte wieder nutzlos sein.“
„Zu spät.“
„Könntest du wenigstens aufhören, mich so von oben herab anzugrinsen?“, fragte
Lisandra. „Von mir verlangst du Verzicht und du selbst schöpfst aus dem
Vollen!“
„Wovon redest du?“
„Na, von deiner bevorzugten Geliebten! Du wirst bestimmt nicht ohne sie
aufbrechen.“
„Da täuschst du dich“, sagte Hanns. „Scarlett muss Lieblose jagen, es
werden gerade viel zu viele falsche Engel an den Rändern der Lecks geboren.
Einige sind uns während der letzten Kriegstage unbemerkt entwischt. Es wäre
egoistisch, Scarlett mitzunehmen, zumal sie uns nicht helfen könnte. Wie
gesagt, diesmal kommt es nicht auf Kampfkraft an.“
„Sondern auf was?“
„Auf Glück, Einfallsreichtum und wandelnde Wunder wie dich.“
„Wenn Scarlett und die Super-Gespenster hierbleiben – wen willst du dann
mitnehmen außer mir? Berry?“
„Berry und Gerald, das war’s.“
„Wieso Gerald?“, fragte Lisandra erstaunt. „Damit du ihn unterwegs mit
Magikalie aufladen kannst?“
„Wenn es möglich wäre, würde ich alle Erdenkinder mitnehmen. Ihr seid
Wesen ohne eigene Magikalie und ich hoffe, ihr könnt euch der Quelle nähern,
ohne von ihren Auswirkungen getötet oder verletzt zu werden. Aber Marias oder
Thunas Leben darf ich nicht aufs Spiel setzen. Maria ist die Tür zur neuen Welt
und ohne Thuna gibt es in der neuen Welt keine Zukunft. Das Gleiche trifft auf
Grohann zu, also gehen wir ohne sie.“
Lisandra nickte halbwegs einsichtig. Nicht dass sie schon verarbeitet
hätte, was Hanns ihr gerade eröffnet hatte, aber das Nicken half Lisandra
dabei, sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Drei Tage also noch. Na gut.
„Morgens oder abends?“
„Was?“
„Der Aufbruch ins Verfluchte Tal.“
„Wir gehen nach Einbruch der Dunkelheit los. Ein Ausgang des Kellers
führt direkt zu den Ruinen von Tolovis und von da sind es nur noch ein paar
Stunden Fußweg, bis wir den Rand des Tals erreichen. Im Morgengrauen gehen wir
unter die Erde.“
Hanns hob den Kopf – ein ungewöhnliches Geräusch hatte gerade die Stille
des Kellers erschüttert. Lisandra war sofort klar, woher das Geschepper rührte:
Dandelia Pimbel, die Wasserspeier-Katze, die Otemplos einst zum Leben erweckt
hatte, tauchte ständig an den unmöglichsten Orten auf, wie aus dem Nichts. Und
ebenso plötzlich verschwand sie auch wieder.
Lisandra hatte eine ungefähre Ahnung davon, wie die Katze das machte: Sie
sprang in die Zauberzeit, legte dort Wege zurück, die nur sie kannte, und
sprang innerhalb kürzester Zeit zurück in die Wirklichkeit – dahin, wo sie sein
wollte. Wie ihr das gelang, ohne dabei Stunden, Tage oder gar Wochen zu
verlieren, war Lisandra allerdings ein Rätsel. Die Auskünfte der Katze
diesbezüglich halfen ihr auch nicht weiter, denn sie waren typisch arrogant und
nutzlos formuliert: ‚Stell mir doch nicht
so blödsinnige Fragen’, pflegte die Katze zu murren, ‚so etwas kann man oder man kann es nicht.’
Nun ja, Lisandra konnte es nicht. Vielleicht hätte sie es lernen können,
wenn das Schicksal ihr die Zeit dazu gelassen hätte, aber der letzte Rest Zeit,
den sie noch hatte, verrann viel zu schnell. Ein bisschen neidvoll beobachtete
sie nun Dandelia Pimbel, wie diese im sichersten Keller-System der Welt durch
ein Regal spazierte, in dem sie garantiert nichts zu suchen hatte.
„Könntest du deiner Katze bitte erklären, dass sie einen großen Bogen um
die Dunkelheits-Taster da oben machen sollte?“, fragte Hanns. „Sie sind
hochempfindlich und sollten noch funktionieren, wenn wir das Verfluchte Tal
betreten!“
„Das muss ich ihr nicht erklären, sie versteht dich sehr gut!“, erwiderte
Lisandra. „Was aber nicht heißt, dass sie deine Sorgen ernst nimmt. Im Grunde
ist es nutzlos, ihr irgendwas aufzutragen oder sie um etwas zu bitten, denn sie
macht aus Prinzip immer das Gegenteil – oder auch mal gar nichts, wenn man fest
mit dem Gegenteil rechnet.“
Als wollte die Katze Lisandras Aussage unterstreichen, kickte sie mit
ihrem Hinterteil einen der hochempfindlichen Dunkelheits-Taster über die
Regalkante. Hanns sauste in einer Gestalt, die Lisandra kaum erkennen konnte, weil
sie vor ihren Augen verschwamm, direkt zum Regal und fing den Kasten auf, kurz
bevor er am Boden zerschellte.
Kaum hatte sich Hanns in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt, den
wertvollen Dunkelheits-Taster sicher in seinen Armen, blickte die Katze gähnend
vom obersten Regalboden auf ihn herab und fixierte ihn kritisch mit ihren
großen hellgrünen Augen. Hanns erwiderte den Blick der Katze verträumt, fast
wie gebannt.
„Ich sollte sie bekämpfen oder verscheuchen“, murmelte er schließlich,
„aber dummerweise habe ich eine Schwäche für störrische Charaktere.“
„Oh, wirklich – das hast du?“, fragte Lisandra. „Da wäre ich ja nie drauf gekommen.“